Geschäftsführer im Interview
„Mein Ansatz: Zuhören, analysieren, anpacken.“

hauspost: Herr Nispel, können Sie - bevor wir auf die Anforderungen der Energiebranche zu sprechen kommen - bitte einmal kurz beschreiben, womit Sie sich als neuer Geschäftsführer der Stadtwerke täglich beschäftigen?
Hanno Nispel: Meine Hauptaufgabe ist die Unternehmensführung und -entwicklung sowie – gemeinsam mit meinem Führungsteam – die operative Leitung. Wir müssen also die eigenen Prozessabläufe und Kennzahlen im Blick haben und analysieren. Dabei schauen wir auch, wo wir uns noch weiter verbessern können, um uns bestmöglich für die Zukunft aufzustellen und eine sichere und effiziente Versorgung für unsere Kunden zu gewährleisten. Gerade in der sich schnell verändernden Energiebranche ist das flexible Anpassen der eigenen Arbeitsweise wichtiger denn je. Gleichzeitig verantworte ich die Stadtwerke nach außen und bin der zentrale Ansprechpartner für unseren Gesellschafter, die Landeshauptstadt Schwerin.

hauspost: Was ist Ihnen wichtig, welche Schwerpunkte setzen Sie dabei?
Der hohen Verantwortung des Unternehmens für die Stadt, unsere Kunden und Partner, aber auch gegenüber meinen Mitarbeitern gerecht zu werden – das ist mir wichtig und auch eine Herausforderung. Manche Aufgaben und Entscheidungen stehen dabei sicherlich im Spannungsfeld zueinander und müssen trotzdem gelöst werden. Dabei hilft es, zuzuhören und zu analysieren. Und dann klar und verbindlich zu entscheiden, die Themen anpacken und mit dem Team umsetzen. Die Energiewirtschaft befindet sich auf dem Weg der Dekarbonisierung, also hin zu einer kohlenstofffreien Energieversorgung – und damit in einem enormen Veränderungs- und Transformationsprozess.
Zusätzlich ist das Marktumfeld sehr volatil. An den stark schwankenden Strom- und Gaspreisen in den letzten Jahren haben wir das alle selbst erlebt. Und unsere Gesellschaft verändert sich auch: die Kunden von Morgen haben anderen Wünsche, und die Mitarbeiter unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen. Diesen Veränderungen werden wir mit frischen Ideen und agilen Prozessen begegnen. Digitalisierung ist dabei ein ganz wichtiger Punkt, nicht nur zum Selbstzweck, sondern um effizienter zu werden.
hauspost: Das große Thema der Energiewirtschaft in Deutschland lautet ‚Dekarbonisierung‘. Wie steht es bei Ihnen um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern?
Erstmal würde ich den Blick auf die an uns gestellten Anforderungen lenken. Denn die Zielvorgaben zur Klimaneutralität sind sehr unterschiedlich. Die EU will das bis 2050 schaffen, Deutschland bis 2045 und Mecklenburg-Vorpommern hat sich dieses Ziel bis zum Jahr 2040 gesetzt. In Schwerin soll es nochmal fünf Jahre schneller gehen. Für eine so langlebige Infrastruktur, wie unsere technischen Anlagen und insbesondere die Netze, bedeutet dies einfach gesprochen übermorgen. Für die Strom- und auch Wärmeversorgung haben wir unsere beiden Heizkraftwerke in Schwerin-Süd und Lankow erst kürzlich modernisiert, so dass sie zu den effizientesten ihrer Art gehören. Die Anlagen produzieren im Verfahren der sogenannten Kraft-Wärmekopplung Strom und gleichzeitig Wärme. Aber eben noch mit Erdgas, was schrittweise zu ersetzen ist. Weiterhin sind wir mit unserer Geothermie- und Biogasanlage gut aufgestellt und erzeugen bereits heute bis zu 15 Prozent der Schweriner Fernwärme mit erneuerbaren Energien.
hauspost: Werden wir doch dazu mal konkreter: wie genau kann so eine Umstellung aussehen?
Die kommunale Wärmeplanung und unsere Transformationsplanung, also der Weg hin zu einer grünen Wärmeversorgung, sind die Mammutaufgaben der nächsten Jahre. Dabei bearbeiten wir im Gegensatz zu früher deutlich mehr Projekte gleichzeitig, und das bei sich ständig ändernden Rahmenbedingungen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen wir unsere Unternehmensorganisation entsprechend anpassen. Es geht aber auch darum, Vertrauen im Team aufzubauen. Denn ein vertrauensvolles Miteinander vereinfacht Abstimmungen in Zeiten vielschichtiger Anforderungen. Am Ende ist es unsere Aufgabe, diese vielen verschiedenen Aufgaben zu erfüllen und die bestmöglichen Leistungen für unsere Kunden anzubieten.
Beispielsweise die Fernwärmeversorgung wird dabei eine noch größere Rolle als heute spielen. Es geht aber auch um die Stromnetze für zum Beispiel Wärmepumpen. In der Transformationsplanung beschäftigen wir uns damit, die heutige Energieversorgung auf regenerative Energiequellen umzustellen. Dazu zählt unter anderem Geothermie, Abwärmenutzung oder auch Großwärmepumpen, die mit grünem Strom angetrieben werden.
hauspost: Rund 64 Prozent aller Schweriner Haushalte nutzen schon heute Fernwärme. Können Sie bitte erklären, wieso die Stadtwerke auch beim Thema grüne Fernwärme auf die Verbrennung von Erdgas angewiesen sind?
Unsere Geothermie-Anlage in Lankow fördert kontinuierlich warmes Wasser aus rund 1.300 Metern Tiefe. Dieses Wasser hat eine Temperatur von 56 Grad Celsius. Die übernehmen wir in den Heizkreislauf; anschließend wird das Heizwasser durch vier Hochleistungs-Wärmepumpen auf rund 82 Grad erhitzt. Im Sommerbetrieb erzeugen wir somit rund 85 Prozent der Fernwärme aus einer erneuerbaren Energiequelle. Im Winter benötigen wir weiterhin unsere modernen, erdgasbetriebenen Heizkraftwerke, um die benötigte Wärmemenge bereitzustellen. Hier arbeiten wir an künftigen Lösungen, um auch diese Wärmemenge klimafreundlich zu erzeugen.

hauspost: Das klingt recht komplex.
Es ist komplex. Früher kam die Wärme meist aus einem Kraftwerk. Planung und Bau waren zwar anspruchsvoll, aber klar definierte Projekte. Heute gibt es deutlich mehr Technologien und damit auch Möglichkeiten zur Erzeugung. Wir müssen alle Optionen detailliert planen und projektieren, um am Ende die beste aller Varianten umzusetzen. Es ist unsere Aufgabe, für den Standort Schwerin technische Lösungen zur Dekarbonisierung der Wärme zu entwickeln – und das zu den bestmöglichen Gestehungskosten.
hauspost: Es geht also - verkürzt gesagt - auch in Schwerin um die Verflechtung von Klimaschutz, technischen Lösungen und Wirtschaftlichkeit?
Genau. Unsere Aufgabe als Stadtwerk ist es, den komplexen Anforderungen zu begegnen, Lösungen zu entwickeln und unseren Kunden vor Ort in Schwerin die wirtschaftlich bestmögliche grüne Wärmeversorgung anzubieten. Dafür benötigen wir aber auch stabile politische Rahmenbedingungen. Derzeit ändern sich diese häufig, was eine verlässliche und langfristige Planung erschwert.
hauspost: Sie sprachen vorhin von einem ‚Transformationsprozess‘. Können Sie bitte nochmals erläutern, was damit genau gemeint ist?
Lassen Sie es mich einmal so formulieren: In der Vergangenheit gab es einen ziemlich festgelegten Rahmen für die Erzeugung und die damit verbundenen Investitionen. So wurden Strom und Wärme produziert und vermarktet. Wir betreiben heute bereits einen modernen Erzeugungspark, den wir gerade erst mit hohem Aufwand grundlegend modernisiert haben. Die fossile Technologie soll nun im Transformationsprozess durch erneuerbare Energien schrittweise ersetzt werden. Also müssen wir zusätzliche Anlagen zur Nutzung grüner Energiequellen mit hohen Investitionen errichten, ohne dass die Wärmeabnahme in der Stadt dadurch größer wird. Das sorgt für einen hohen Kostendruck.

hauspost: Zumal das Thema Heizen ja nicht noch teurer werden soll…
So ist es. Allerdings haben wir die im Wärmeplanungs- sowie Gebäudeenergiegesetz festgeschriebenen Vorgaben zu erfüllen. Wenn die kommunale Wärmeplanung der Stadtverwaltung abgeschlossen ist, dann wissen wir, in welchen Gebieten zukünftig mit welcher Technologie geheizt wird. Mit unserem gut ausgebauten Fernwärmenetz befinden wir uns in einer sehr guten Ausgangslage. Hier liegt der Ball zur Dekarbonisierung bei uns. Wo perspektivisch kein Fernwärmeanschluss möglich ist, gilt es Alternativen aufzuzeigen. Wir müssen die politischen Vorgaben nicht nur technisch umsetzen, sondern auch nach außen verständlich kommunizieren, was wie und warum passiert.
hauspost: Wir haben nun primär über die Wärmeplanung gesprochen. Wie stellt sich die Situation aktuell auf dem Strommarkt dar?
Glücklicherweise besser als noch vor ein paar Jahren mit bislang ungekannten Höchstpreisen während der Energiekrise. Die Preise haben sich wieder stabilisiert, wenn auch auf einem höheren Niveau. Allerdings gibt es heute einige neue Herausforderungen: mit der zunehmenden Einspeisung erneuerbaren Stroms sehen wir mehr Volatilität am Markt. Es kommt immer häufiger zu negativen Strompreisen durch ein Überangebot an Sonnen- und Windstrom. Hier gilt es, zukunftsfähige, netzdienliche Lösungen zu finden. Dabei spielen der Ausbau der Übertragungsnetze und Speicherlösungen eine wichtige Rolle. Das bedeutet aber auch, dass der wirtschaftliche Betrieb von konventionellen Kraftwerken herausfordernder geworden ist. Ohne sie wird es jedoch zu gewissen Zeiten nicht gehen. Denn wir können den bundesweiten Strombedarf noch nicht durchgehend nur mit erneuerbaren Energien decken.

hauspost: Da wir über aktuelle und künftige Herausforderungen sprechen – wie stehen Sie zur Nutzung von KI?
Wir haben Künstliche Intelligenz heute schon in viele Abläufe eingebunden. Automatisierbare Prozesse werden zunehmend von KI übernommen, damit wir das Potenzial unserer Fachkräfte bestmöglich einsetzen können. Als direkten Mehrwert sehen wir hier einen deutlichen Gewinn an Effizienz. Darüber hinaus zahlt die Nutzung moderner, digitaler Möglichkeiten natürlich auch auf unsere Attraktivität als interessanter Arbeitgeber ein. Ich sehe die künstliche Intelligenz also nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Die Regulierung der möglichen negativen Folgen für die Gesellschaft muss aber damit einhergehen.
hauspost: Da höre ich viel Wandel im eigenen Haus heraus. Werden die Stadtwerke unter Ihrer Führung auch weiterhin so engagiert als Förderer und Unterstützer in Schwerin aktiv sein?
Auf jeden Fall. Seit vielen Jahren sind wir ein verlässlicher Partner vieler Schweriner Vereine und Veranstaltungen. Das werden wir auch zukünftig sein. Wir sind das Stadtwerk der Schwerinerinnen und Schweriner, da ist es uns eine Herzensangelegenheit, etwas zurückzugeben. Daher bleibt unser Engagement in Sport, Kultur und sozialen Projekten natürlich bestehen.
Das Interview ist in der August-Ausgabe 2025 vom Stadtmagazin hauspost erschienen.